Oktopusse? Im Krankenhaus? Auf der Frühchenstation? Whaaaat? Aber fangen wir von vorne an.
Neugeborene gewöhnen sich Stück für Stück ganz natürlich an ihre neue Umgebung. Frühchen haben es hier nicht ganz so leicht. "Zu früh zu viel Licht, zu viel Unbekanntes. Alles anders als bei Mama im Bauch. Kein Gluckern, kein Herzschlag. Und vor allem wo ist die Nabelschnur, mit der ich so gerne gespielt habe?"
Wer selbst mal ein Frühchen hatte, oder es aus Erzählungen bereits kennt, weiss, dass sich diese kleinen bezaubernden, zarten Wesen oftmals an den Kabeln der Magensonde und im Brutkasten festhalten und auch teilweise daran ziehen und sie sich somit rausreissen. Teilweise sogar am EKG-Kabel oder dem Beatmungsschlauch.
Häkeloktopusse als Ersatz für die Nabelschnur im Mutterleib
Babys denken sie sind noch im Mutterleib und halten die Magensonde für die Nabelschnur. Was soll auch sonst dieses hängende Ding sein? Damit die Babys nicht regelmässig die Magensonde herausreissen, kommen in der München Klinik Harlaching Oktopusse zum Einsatz, gehäkelte Oktopusse. Als Nabelschnurersatz und um zu verhindern, dass die Magensonde herausgerissen wird. Und das Wunderbare ist: Es funktioniert.
Wenn die kleinen Babys schlafen, umklammern sie die Tentakel ganz fest. Mit den Kraken fühlen sie sich sicher und geborgen, ihre Atmung wird stabiler und ihr Herzschlag regelmäßiger. Wie grossartig ist das?
Herstellung der Oktopusse in der Familie
Sabrina ist die Leitung der Frühchenstation der München Klinik Harlaching und ihre Mama stellt diese tollen Häkel-Oktopusse her. Jedes Frühchen bekommt bei der Geburt einen Häkel-Oktopus und darf diesen sogar mit nach Hause nehmen. Ich persönlich finde Sabrinas Initiative und dein Engagement grossartig und freue mich sehr Sabrina zu dem Thema interviewen zu dürfen.
Interview mit der Leitung der Frühchenstation.
Sabrina, wie kam diese Idee der Häkel-Oktopusse zustande und wie viele Babys haben bereits einen bekommen?
Ich habe in einer Fachzeitschrift über die Kraken gelesen und war sofort begeistert. Im Rahmen von entwicklungsfördernder Pflege passen die Kraken im Sinne der Unterstützung zur Selbstregulierung der Kleinen sehr gut in unser Konzept. Meine Mama ist sehr begabt in Handarbeitsdingen, daher habe ich sie gefragt ob sie Lust hat Kraken für uns zu häkeln. Erfreulicherweise hatte sie Lust darauf und nach einer eingehenden Recherche haben sie und eine Freundin mit der „Produktion“ begonnen.
Hygiene spielt in Krankenhäusern eine grosse Rolle, müsst ihr hier Besonderheiten und Regeln beachten?
Hygiene spielt eine sehr große Rolle. Das war mir besonders wichtig. Wir verwenden eine spezielle Wolle für die Kraken, die zur Spielzeugherstellung erlaubt ist. Die Füllwolle wird nochmals in einen Feinstrumpf gesteckt, damit kein Füllmaterial austreten kann und somit zur Gefahr werden könnten. Die Tentakel dürfen ebenfalls nicht zu lang sein, damit sie keine Gefahr für die Kinder darstellen. Nach Fertigstellung werden die Kraken bei 60 Grad gewaschen. Bevor sie in den Inkubator wandern, werden sie nochmal sprühdesinfiziert. Die Eltern sollen die Kraken auch regelmäßig waschen während des Klinikaufenthaltes. In den Inkubatoren herrschen hohe Temperaturen und auch eine hohe Luftfeuchte, daher ist das regelmäßige waschen und desinfizieren sehr wichtig. Frühchen ab der 30. SSW bekommen sofort einen Kraken, kleinere Frühchen erst nach ca 1 Woche. Die Haut der Frühchen ist noch sehr unreif und daher durchlässig, stellt daher eine ideale Eintrittspforte für Keime dar. Im Inkubator herrschen zu der Zeit 85% Feuchte. Nach ca 1 Woche ist die Haut reifer.
Bekommt ihr Feedback der Eltern welche Rolle die Häkel-Oktopusse im Leben der Babys weiterhin spielen?
Seit ca 1,5 Jahren schenken wir unseren kleinsten Patienten einen Kraken. Ich schätze ca 30-40 haben wir bisher verschenkt (es gibt ja zum Glück nicht so viele Frühchen, außerdem liegen sie ja sehr lange bei uns - ca 2-3 Monate). Kinder die nur 2-3 Nächte da sind, bekommen leider keinen Kraken, sondern nur die „Langlieger“, sonst würden wir leider gar nicht mit der Produktion hinterher kommen. Da ich ja noch Nachsorgeschwester bin und die Kinder auch nach der Klinikentlassung betreue, sehe ich die Kraken auch immer noch daheim. Die Kleinen finden die Kraken noch sehr lange spannend und scheinen Ihnen auch Ruhe zu vermitteln.
Kann man euch bei der Produktion der Oktopusse unterstützen?
Gerne würden wir mehr Unterstützung annehmen, aber ich muss ja auch die Sicherheit der Kraken gewährleisten. Daher lasse ich nur meine Mama & Ihre Freundin häkeln, da weiß ich das alles safe ist. Als städtisches Klinikum dürfen wir keine Geldspenden annehmen. Am besten nach Rücksprache mit mir kann man uns bunte Wolle zukommen lassen (von Schachenmayr die Wolle Catania Uni). Ansonsten nimmt der Harlekin e.V. gerne Geldspenden an, das ist unser Nachsorgeverein bei dem ich Nachsorgeschwester bin.
Sabrina, dir lieben Dank für deine Unterstützung und ich finde du hast eine grossartige Mama und Freundin deiner Mama :)
Vielen Dank auch an die Mama des Frühchens für das Foto.
Foto: München Klinik
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